Der Vergangenheit auf der Spur

Landkreis Landshut. Der Landkreis Landshut gilt als einer der am längsten besiedelten Gebiete Mitteleuropas. Bereits vor über 7.500 Jahren haben sich Menschen an den Ufern von Isar, Vils und Laaber niedergelassen. „Unsere Aufgabe ist es, diese Zeugnisse der Vergangenheit zu sichern und für künftige Generationen zu bewahren“, sagt Dr. Thomas Richter. Der 39-Jährige ist der Kreisarchäologe des Landkreises Landshut. Mit Bagger, Schaufel und Messgeräten machen sich er und sein Team auf die Suche nach den Überresten längst vergangener Zivilisationen. Und es gibt richtig viel zu tun: „Wir sind einer der am dichtesten mit archäologischen Fundstellen belegten Landkreise Bayerns“, sagt Richter. Über 2.000 bekannte archäologische Fundstellen zeugen von einer Siedlungsgeschichte quer durch alle Epochen.

Dr. Thomas Richter ist Kreisarchäologe am Landratsamt

Drei Schreibtische mit Computern drängen sich in dem kleinen, knapp 25 Quadratmeter großen Büro dicht aneinander. In den Regalen stapeln sich Aktenordner, Fachliteratur und Kartons. Eine Spiegelreflex-Kamera mit Objektiven liegt griffbereit auf einem Regal, an den Wänden hängen Schaubilder von bronzezeitlichen Werkzeugen. Von Frühjahr bis in den Spätherbst sitzen Dr. Thomas Richter und seine beiden Grabungstechnikerinnen aber eher selten an ihren Schreibtischen im Landshuter Landratsamt. Ihr Arbeitsplatz ist – wenn das Wetter es zulässt – draußen, auf den Felder und Äckern im Landkreis Landshut. Oder besser: Dort, wo schon vor Jahrtausenden Menschen gelebt haben und wo sich jetzt wieder Menschen in neuen Baugebieten niederlassen wollen.

„Viele glauben, wir warten darauf, bis uns jemand einen Fund meldet“, erzählt Richter. Die Wirklichkeit sieht aber eher so aus: Weil im Landkreis Landshut seit Jahrzehnten rege Bautätigkeit herrscht, kommt die Kreisarchäologie mit der Arbeit kaum hinterher. „Die meisten können sich nicht vorstellen, wie viele Grabungen wir tatsächlich haben“, so Richter. Allein im Jahr 2021 war das Team der Kreisarchäologie mit 67 Fundstellen beschäftigt. Und das war noch nicht mal ein außergewöhnliches Jahr, sondern eher die Regel.

Der fruchtbare Boden und die Isar als praktischer Verkehrsweg lockte die Menschen über die Jahrtausende hinweg in den Landkreis, der deshalb schon immer dicht mit Dörfern besiedelt und an ein weitreichendes Handelsnetz angeschlossen war. Die Wahrscheinlichkeit, dass in Baugebieten Überbleibsel aus längst vergangenen Epochen ans Tageslicht kommen, ist also hoch. „Die Baustelle des neuen Landratsamtes ist dafür ein gutes Beispiel. Wir waren dort drei Jahre lang beschäftigt, bevor wir das Areal freigeben konnten. Wir haben zum Beispiel eine Keltenburg gefunden, ein Grab der Bajuwaren, einen Friedhof aus der Bronzezeit und noch vieles mehr“, erzählt Richter und zeigt Drohnenaufnahmen von den Umrissen einer ehemaligen Keltenburg. „Ihre Lage am Hochufer der Isar war ideal. Der Fluss war damals als Verkehrsweg so wichtig wie heute die A92“, erklärt der Wissenschaftler.

Dr. Thomas Richter auf einer Grabung mit einem historischen Vorratsgefäß. Foto: Kreisarchäologie

Für die Baustelle des Landratsamtes galten natürlich die gleichen Regeln und Gesetze wie für alle Bauvorhaben. Damit keine archäologischen Funde bei den Arbeiten zerstört werden, mussten die Spezialisten der Kreisarchäologie das Areal zunächst begutachten, etwaige Fundstellen sichten und die Funde sichern. Das Gesetz will es eigentlich, dass diese Zeugnisse aus der Vergangenheit erhalten bleiben. „Dann dürfte bei uns aber niemand mehr bauen“, so Richter. Als „Erhalt“ gilt deshalb auch die wissenschaftliche Aufarbeitung und die exakte Dokumentation von Funden durch die Kreisarchäologen. „Wir erhalten so unser Kulturgut für künftige Generationen.“

Geschrieben wird nur mit Bleistift. Aus gutem Grund.

Alles, was die Archäologen im fruchtbaren Boden des Landkreises Landshut finden, bleibt auch hier. „Wir behalten alles“, sagt Dr. Thomas Richter. Wertvolle Grabbeigaben, Schmuck aus Gold und Silber mit Bernstein, Münzen, historische Schwerter und Pfeilspitzen lagern in einem Depot der Kreisarchäologie in Vilsbiburg, fein säuberlich verpackt in Kartons. Dort schlummern sie, bis sie für eine Ausstellung oder die wissenschaftliche Arbeit gebraucht werden. Ein „wertvoller Fund“ ist für Richter und sein Team nicht unbedingt das, was gemeinhin unter einem archäologischen „Schatz“ verstanden wird.

Er greift in seinem Büro in einen Pappkarton und holt einen sandfarbenen Stein mit einer Mulde hervor. Was so unspektakulär aussieht wie ein Aschenbecher, den ein Hobbybildhauer angefertigt hat, ist tatsächlich eine absolute Besonderheit und ein Glücksfall für Richter. Es handelt es sich um einen 2.200 Jahre alten Gussstein. „Das ist der älteste Nachweis für die Produktion von Metallen in der Region“, sagt der Kreisarchäologe. Funde wie dieser würden dabei helfen zu verstehen, wie die Menschen hier einst gelebt hätten. „Das ist es, worum es uns eigentlich geht“, sagt Dr. Richter.

Die besagte Gussform ist in Viecht nach einer Sondierung und einer Grabung im Vorfeld von Bauarbeiten aufgetaucht. Der Kreisarchäologe: „Es beginnt meistens in einem Baugebiet und endet mit einer Geschichte über unsere Vorfahren. Das macht unseren Beruf so spannend.“

Das Bild zeigt einer bajuwarische Dreifachbestattung. Gefunden wurde das Grab bei Ergoldsbach. Fotos: Kreisarchäologie
Ein bajuwarisches Gräberfeld, das ebenfalls bei Ergoldsbach entdeckt wurde.
Um die Funde für die Nachwelt zu sichern ist es notwendig, alles genau zu dokumentieren.

Aktuelles zu archäologischen Ausgrabungen im Landkreis Landshut finden Sie auf Instagram: Kreisarchäologie Landshut (@kreisarchaeologielandshut) • Instagram-Fotos und -Videos

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