Sonderschau in Nürnberg: Germanisches Nationalmuseum präsentiert spektakuläre Funde aus Landkreis zusammen mit „Ikonen der Archäologie“ aus sechs Ländern
Als Gesprächsbegleiter braucht man Aufmerksamkeit und Empathie.
Landkreis/Nürnberg. Hätte jener mächtige Mann, der um 1250 vor Christus am Rande des heutigen Essenbach zur letzten Ruhe gebettet wurde, im Griechenland seiner Zeit gelebt, hätte er an den Tafeln von Königen wie Agamemnon und Odysseus gesessen und an ihrer Seite im Krieg um Troja gekämpft. Die spektakulären Funde aus seiner Grabkammer stehen bis 7. Januar 2025 im Mittelpunkt der Sonderausstellung „Die letzte Fahrt – das Wagengrab von Essenbach“ im Germanischen Nationalmuseum (GNM).
Vor über 500 Gästen im vollbesetzten Vortragssaal des Museums legten GNM-Generaldirektor Prof. Daniel Hess und die Archäologin Angelika Hofmann, Kuratorin der Ausstellung, die Bedeutung des Fund-Ensembles aus Niederbayern dar und führten die Zuhörer ein in die Epoche der Urnenfelder-Zeit (1300 bis 800 vor Christus).
Das Wagengrab, das im Jahr 2011 von Mitarbeitern einer Grabungsfirma geborgen wurde, stammt aus der frühen Urnenfelder-Zeit: Benannt ist diese Epoche nach der damals aufkommenden Sitte, die Toten zu verbrennen und den Leichenbrand in einer Urne zu bestatten.
In dem Prunkgrab des Fürsten, dessen Leichnam einst auf einem großen Scheiterhaufen verbrannt worden war, fanden sich ein meisterhaftes Bronze-Schwert, ein Fingerring aus Goldblech, ein kunstvoll gearbeitetes Rasiermesser aus Bronze sowie viele Bronze-Fragmente – Beschlagteile eines vierrädrigen, von Pferden gezogenen Kultwagens und Teile von Pferdegeschirr. Zudem verzierte Keramikgefäße (wohl für Speise- und Trankopfer im Rahmen des Bestattungs-Ritus) und ein kompletter Satz an Wiege-Gewichten, wie man sie bislang nur aus dem Mittelmeerraum und dem Vorderen Orient kannte.
Metalle brachten den Welthandel in Schwung
Nach den Worten der aus Mirskofen stammenden Archäologin Angelika Hofmann spiegelt das Grabinventar die hohe Machtstellung des antiken Essenbachers wider: Er habe politische, wirtschaftliche und wohl auch religiöse Macht ausgeübt, habe zu einer international vernetzten Elite gezählt. Der Fund sei ein „Elite-Grab, wie es nicht einmal ein Prozent der Menschen der Bronzezeit bekam“.
Das Schwert weist hin auf die politische Machtstellung des Fürsten, die Wiege-Gewichte auf die maßgebliche Quelle von Macht, Reichtum und Einfluss der Oberschicht jener Zeit – auf den Handel mit Metallen. Die Bronze, eine Legierung von Kupfer und Zinn, brachte gewaltige Veränderungen mit sich in der nach ihr benannten Epoche, die in Mitteleuropa um 2200 vor Christus begann. Die Nachfrage nach diesen Metallen erzeugte Handelsströme, ein Netz von Fernhandelswegen, das von den Britischen Inseln über den Mittelmeerraum und den Nahen Osten bis Mittelasien reichte.
Grabstätte eines „Elon Musk der Bronzezeit“?
Kupfer etwa gab es auf Zypern, in Spanien und in den Alpen des Salzkammerguts, Zinn bezog man aus dem Erzgebirge, vor allem aber aus Cornwall und der Bretagne. Der Fürst von Essenbach hatte offensichtlich eine Schlüsselstellung inne an einem Teilabschnitt der Metall-Handelsroute, die vom Salzkammergut in den Landshuter Raum führte sowie weiter nach Grafentraubach (Landkreis Straubing-Bogen), bei Straubing über die Donau und über die Cham-Further-Senke nach Böhmen.
Auf den Handelsrouten wanderten Menschen, Waren, Ideen und Technologien, wie GNM-Generaldirektor Prof. Daniel Hess schilderte. Und man könne sicher davon ausgehen, dass die Eliten international vernetzt waren. Überhaupt war die Urnenfelder-Zeit eine Epoche der „Eliten“, der „starken Männer“, der „Herrenschichten“, der Ritter und Fürsten, die über eine große Schar von Untertanen herrschten, auch eine sehr kriegerische Zeit. Hess hatte schon nicht so ganz unrecht, als er kürzlich gegenüber Nürnberger Journalisten den Fürsten von Essenbach als einen „Elon Musk der Bronzezeit“ bezeichnete.
Dank an Bürgermeister Dieter Neubauer
Die außergewöhnlichen Funde aus Essenbach werden nach der Sonderschau fester Bestandteil der Dauerstellung des GNM sein, unterstrich Prof. Hess ihre wissenschaftliche Bedeutung. Besonders dankte er Bürgermeister Dieter Neubauer, dass die Marktgemeinde dies durch eine Schenkung im Jahr 2019 möglich gemacht hat.
Für die Sonderschau hat die Kuratorin Angelika Hofmann hochwertige Leihgaben aus sechs Ländern zusammenstellen können: aus Deutschland, Ungarn, der Slowakei, Serbien, Slowenien und Rumänien. Darunter befinden sich auch mehrere „Ikonen der Archäologie“ (Hess) wie der Kultwagen von Dupljaja (Serbien) – Zeugnis der Sonnenreligion der Urnenfelderzeit.
Bei der Ausstellungseröffnung ist vielen Mitarbeitern des GNM gedankt worden, zurecht: Das GNM überzeugt durch herausragende Fachleute ebenso wie durch exzellente Pressearbeit und bis hin zur großen Hilfsbereitschaft der Verwaltungsmitarbeiter. Den international renommierten Archäologen Robert Graf (Altötting) hat allerdings niemand erwähnt.
Graf hat über vier Jahre, im Auftrag des Marktes Essenbach, hervorragende Arbeit geleistet etwa bei der – aus ärgerlichen Gründen – notwendig gewordenen Sicherung der Funde aus dem Prunkgrab sowie ihrer ersten Erforschung. Die von ihm auftragsgemäß ausgearbeitete Planung für ein Archäologiemuseum Essenbach ist zerschlagen worden. Es wurde eine große Chance für die Region Landshut vertan, die nicht wiederkommen wird. (Text: Elmar Stöttner)



