Rebecca Marchese ist Gesprächsbegleiterin für Gesundheitliche Versorgungsplanung im Raum Landshut. Mit tiefgründigen Fragen bespricht sie mit einer betagten Generation Dinge, über die sonst keiner redet. Die Ergebnisse entlasten Senioren- und Pflegeheime und Angehörige.
Als Gesprächsbegleiter braucht man Aufmerksamkeit und Empathie.
„Als Gesprächsbegleiter geht man in Heime, besucht die Bewohner und beginnt damit zu fragen, was sie mit einem guten Leben verbinden“, beschreibt Rebecca Marchese. Als Gesprächsbegleiterin des Hospizvereins Landshut übernimmt die 48-Jährige seit kurzem eine Aufgabe, für die sie viel Feingefühl braucht. Für die sogenannte Gesundheitliche Versorgungsplanung – kurz GVP – erarbeitet sie persönlich mit Seniorinnen und Senioren, die in Heimen leben, deren individuelle Festlegungen zur Gesundheitsversorgung im Alter. Dabei thematisiert sie sensible Themen.
„Mit der Gesundheitlichen Versorgungsplanung helfen wir Bewohnern von Senioren- und Pflegeheimen, ihre ganz eigenen Wünsche für ihre weitere gesundheitliche Versorgung zu formulieren“, erklärt Marchese. „So bewahren wir sie vor einer medizinischen Über- oder Unterversorgung, wenn sie sich selbst nicht mehr dazu äußern können.“ Dafür spricht sie mit Seniorinnen und Senioren in fortgeschrittenen Lebensphasen, die an der Planung zu ihrer Gesundheitsversorgung aktiv mitwirken möchten.
Persönliche Gespräche
Dafür fährt Marchese in Einrichtungen im Landkreis und in der Stadt Landshut und setzt sich mit dem Menschen, die eine Gesprächsbegleitung wünschen, an einen Tisch. Dann beginnt ihre Arbeit: Mithilfe von mehreren Befragungen formuliert sie die Festlegungen. Im Kern geht es dabei darum, Behandlungspräferenzen für mögliche künftige medizinische Entscheidungssituationen niederzuschreiben. Zum Beispiel während medizinischer Krisen oder Erkrankungen, die einen Verlust der Einwilligungsfähigkeit eines Menschen nach sich ziehen.
Um für diese neue Aufgabe gewappnet zu sein, absolvierte Marchese eine intensive Ausbildung, die sie als gelernte Gesundheits- und Krankenpflegerin durchlaufen durfte. „Sie ist sehr anstrengend und man muss sehr konzentriert sein“, beschreibt sie. Als Gesprächsbegleiter habe man eine anspruchsvolle Aufgabe, die ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und Empathie erfordere. Deshalb wurden während der Ausbildung insbesondere Gesprächstechniken vermittelt. Daneben auch viel Praxis zum Verinnerlichen der Theorie. „Es gab ganz viele Übungen. Die Trainer demonstrierten auch Gespräche. Davon haben wir stark profitiert“, schildert Marchese.
Praxis mit Berufsschauspielern
Für mehrere Übungstage sind sogar Berufsschauspieler angereist. „Wir Teilnehmer durften mit ihnen Gespräche üben.“ Marchese habe zum Beispiel einen fiktiven Schwerkranken zu Übungszwecken interviewt. Mehrere eigenverantwortlich organisierte Übungsgespräche während der Zeit der Ausbildung sollten das Gelehrte zusätzlich festigen. Gerechtfertigt, wie Marchese findet: „Die Verantwortung, die wir tragen, ist riesig“.
Marchese erklärt, warum: „Die Fragen gehen sehr in die Tiefe und sind sehr viel kleinteiliger als bei einer gewöhnlichen Patientenverfügung.“ Üblicherweise gibt es deshalb auch mehrere Gesprächstermine. „In einem ersten Schritt wird die Einstellung zum Leben, Sterben und schwerer Krankheit abgefragt und in einem sogenannten Wertebogen dokumentiert“, schildert die Gesprächsbegleiterin. Die Bewohner haben verschiedene Auswahlmöglichkeiten und können so über medizinische Versorgungschritte entscheiden.
Für die Befragungen mit jedem Einzelnen plane Marchese meist mehrere Termine ein, sodass es zu keiner Überforderung oder Überanstrengung der Befragten komme. Denn auch sensible Aspekte seien Thema. Zum Beispiel, welche Grenzen man bei einem Notfall in der medizinischen Versorgung ziehen würde. „Man erfährt viel. Es geht um Lebenserfahrung, Schicksalsschläge, sensible Daten. Um das zu erfahren, muss man eine Vertrauensbasis aufbauen“, sagt Marchese.
Entlastung für Angehörige
Das aufwändige Prozedere belohne sowohl die Befragten als auch deren Angehörige. „Bewohner sind erleichtert, wenn etwas niedergeschrieben ist, das dann in Kraft tritt, wenn sie selbst sich nicht mehr dazu äußern können. Und es ist eine große Entlastung für die Angehörigen, wenn sie im Notfall keine Entscheidung darüber treffen müssen, was zu tun ist“, weiß die Gesprächsbegleiterin. „Die Ergebnisse aus den Gesprächen geben den gesundheitlichen Versorgern dann Wege vor“, schildert sie.
„Und sollte aus dem Notfall eine längerfristige gesundheitliche Einschränkung mit weiterem Behandlungsbedarf hervorgehen, so werden auch für diese Situation die entsprechenden Wünsche festgelegt“, erklärt Marchese. Solche Festlegungen treten ein, wenn Betroffene selbst keine Entscheidungen mehr über ihre gewünschte medizinische Versorgung treffen können.
„Wenn sich zum Zeitpunkt der Gesprächsbegleitung selbst nicht mehr geäußert werden kann, können Angehörige, Hausärzte oder gesetzliche Betreuer mit eingebunden werden“, beschreibt Marchese. „Daraus resultieren kann unter Umständen eine Patientenverfügung, die dann auch rechtssicher festlegt, welche Behandlung der jeweilige Bewohner sich mutmaßlich wünscht“, sagt Marchese. Für Menschen, die schon zum Zeitpunkt der Befragung keine komplexen medizinischen Situationen beurteilen können, könne somit eine Vertreterdokumentation erfolgen.
Dokumentationen sind griffbereit
Ihre Dokumentationen arbeite die Gesprächsbegleiterin mit Bedacht und Sorgfalt nach. „Sie sind erst dann wirksam, wenn der nachbereitete Fragebogen die Unterschrift eines Bewohners trägt“, informiert sie. Die validen Unterlagen seien dann auch rechtlich abgesichert. Erst nach diesem Schritt erhalte das Dokument offizielle Wirksamkeit und wird im Heim dort abgelegt, wo es schnell zur Hand ist, wenn es gebraucht wird.
„Das Angebot der Gesprächsbegleitung richtet sich derzeit an Menschen, die in vollstationärer Pflege leben“, erklärt Marchese. In Anspruch nehmen könnten es sämtliche Einrichtungen aus dem Landkreis und der Stadt Landshut, die sich eine Kooperation mit dem Hospizverein vorstellen können. Das Angebot geht vom Hospizverein Landshut und der Gesundheitsregion plus aus. Kooperationswillige Häuser können Bedarfe dem Hospizverein melden, der wiederum Rebecca Marchese beauftragt. Die ist derzeit die einzige Gesprächsbegleiterin in Stadt und Landkreis im Bereich der Seniorenarbeit. „Das Ziel ist es, die gesundheitliche Versorgungsplanung in der Stadt und im Landkreis Landshut in vielen Heimen anbieten zu können. Dafür soll auch das Team wachsen.“
Gesundheitliche Versorgungsplanung
Ist eine kostenfreie Leistung für gesetzlich Versicherte, die in Seniorenheimen, Pflegeheimen oder in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben und dort vollstationäre Pflege genießen.
Hat das Ziel, den Versicherten zu helfen, ihre Wünsche für ihre weitere gesundheitliche Versorgung zu formulieren, wenn sie sich selbst nicht mehr dazu äußern können.
Anbieter dieses Angebots in der Stadt und im Landkreis Landshut sind der Hospizverein Landshut mit Unterstützung der „Gesundheitsregion plus“. Ansprechpartnerin ist Rebecca Marchese marchese@hospizverein-landshut.de
Über Rebecca Marchese
48 Jahre, verheiratet, zwei Kinder, lebt in Vilsheim im Landkreis Landshut.
Studierte Gesundheitsökonomie und absolvierte nach ihrem Studium eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Arbeitete auf der Intensivstation und in der Anästhesie.
Wechselte Anfang 2024 zum Hospizverein Landshut und ist seit Mitte 2024 Gesprächsbegleiterin für Gesundheitliche Versorgungsplanung nach §132g SGB V



