Digitale Zeitreise ins Hügelgräberfeld

„Zurück in die Zukunft“ wird derzeit im Landkreis Landshut Realität: Ein Expertengremium aus knapp 20 Fachleuten arbeitet intensiv an einer einzigartigen Zeitmaschine. Mit diesem neuartigen digitalen Reiseführer können sich Geschichtsinteressierte auf Zeitreise begeben – bis zu 7.000 Jahre zurück in die Vergangenheit im Landkreis Landshut. Mit Augmented Reality, fiktiven 3-D-Visualisierungen und Avataren wird Heimat sichtbar und vor allem hautnah erlebbar. Möglich macht das umfangreiche Projekt eine Förderung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat in Höhe von knapp 300.000 Euro.

Im Landkreis Landshut gibt es bald einen digitalen Reiseführer

Gänsehaut ist vorprogrammiert! Nutzer der App „Die Zeitmaschine“ sollen schon bald mit dem lebensechten Avatar des Keltenkriegers „Brogilo“ die Keltenzeit erkunden können – und zum Beispiel eine typisch keltische Bestattungszeremonie erleben, zwischen den Trauernden umhergehen und ihr Wehklagen hören – an einem echten historischen Standort der Hügelgräber im Landkreis Landshut. Mit der App „Die Zeitmaschine“, die derzeit noch in der Entwicklung ist, könnten digitale Zeitreisen wie diese im Landkreis Landshut schon bald möglich werden.

Kultur digital auf unterhaltsame Art

Der Besuch eines keltischen Bestattungsrituals ist eine der Visionen, die Projektleiterin Julia Maier für die App „Die Zeitmaschine. Heimat sichtbar und erlebbar machen“ aktuell, zusammen mit dem Dramaturgen und Kreativberater Hubertus Hinse, prüft. Vor über einem Jahr hatte sie die ersten Ideen für die Ausarbeitung eines Reiseführers, der Kultur und Zeitgeschichte auf unterhaltsame Art und Weise digital vermitteln kann. „Das Smartphone wird zum digitalen Reiseführer und Schaufenster in die Vergangenheit, es macht außergewöhnliche Orte und Objekte zur über 7.000-jährigen Geschichte und Kultur der Region Landshut sichtbar und erlebbar“, erklärt Maier dazu. Besonders wichtig ist ihr dabei, dass das mithilfe der digitalen Erlebnisse spielerisch und mit sehr viel Spaß einhergeht.

Das Hügelgräber in den Bruckberger Mooswiesen. Hier soll die digitale Zeitreise führen. Foto: Stefan Baier

So wird Geschichte lebendig

Ein 18-köpfiges Expertengremium aus Vertretern von Landkreis und Stadt Landshut, der Regierung von Niederbayern als Förderstelle, Vertreter der Museen, der Heimatpflege, Archiven und auch aus der Marketingabteilung des Tourismusverband Ostbayern hat kürzlich erste Details für den zukünftigen Erzählstrang festgelegt. „Hubertus Hinse, Film- und Theatermacher und Informatiker in Personalunion, hat dabei seine strategischen Überlegungen und Empfehlungen für die Geschichte vorgestellt, die wir mit der Zeitmaschine erzählen wollen“, erklärt Maier. Dies Geschichte verbindet wie ein roter Faden zunächst fünf Orte im Landkreis und beginnt in der Jungsteinzeit. Weiter führt die Zeitreise per App durch die Bronzezeit, das Früh- und Hochmittelalter, die Renaissance und macht dann einen großen Sprung in die Industrialisierung, um am Ende in der Moderne mit ihren Künstlern und der im Landkreis Landshut gelebten Kreativität zu landen. 

3-D und Augmented Reality

Nur so vor Kreativität strotzt auch das, was als Unterhaltung in der App geboten wird: Es werden längst verfallene Gebäude aus der Vergangenheit am PC rekonstruiert und wieder sichtbar gemacht. Ein keltischer Herrenhof zum Beispiel oder eine mittelalterliche Burg. „An manchen Orten wird der Nutzer mit Computerunterstützung direkt in die Historie oder sogar Szenerien einsteigen können, dazu besteht technisch die Möglichkeit“, schwärmt Julia Maier von ihrem Projekt. So sollen Besucher und Einheimische mit digitalen Hilfsmitteln angeregt werden, sich für Landkreis und Stadt Landshut zu interessieren – und historische Orte auch real zu entdecken, um dort Geschichte mit allen Sinnen erleben zu können.

Multimediale Schnitzeljagd

Nutzer der App sollen zukünftig zwischen zwei Modi wählen können: Der Informationsmodus ermöglicht die Handhabung wie bei einer klassischen Fremdenführung. Infos sind an der jeweiligen Station verfügbar. Im Actionmodus begibt sich der Reisende auf eine rasante Schnitzeljagd mit Rätseln, bei der er sich Inhalte und Informationen erarbeiten muss. Es gibt an vielen Stellen ein Quiz oder auch Avatare, die der Besucher belauschen kann, um Hinweise zu finden. Wie Maier weiter verdeutlicht, wird die App auch im offline Modus funktionieren. Um die Nutzer vor Ort zu überraschen, werden durch eine GPS-Ortung Inhalte nur an bestimmten Stellen freigeschaltet. „Ähnlich wie beim Geo-Caching können die Nutzer an bestimmten Orten etwas entdecken, zum Beispiel das 3-D-Modell eines keltischen Dolches“, schildert die Projektleiterin. 

Realisierung erfordert Detailgenauigkeit

Was am Ende für den Besucher fließend aufs Mobiltelefon gespielt werden wird, erfordert vorab im Hintergrund einen enormen Zeitaufwand und Liebe zum Detail. Denn die Programmierer brauchen nicht nur Texte und den roten Faden der Geschichte, sondern auch detailgenaue Bausteine und Anweisungen, zum Beispiel wie die Avatare aussehen sollen, welche Kleidung passend ist und wie sie ihr Haar trugen. „Auch bei einem 3-D-Modell einer Burg müssen wir nicht nur den Grundriss liefern, es werden viel mehr Details angefragt“, legt Maier dar. „Die Programmierer wollen für besonders realistische Darstellungen wissen, wo die Wetterseite war, wo sich Grünbelag oder Moos angesetzt haben könnte, welche Baustoffe verwendet wurden und wie die Fenster ausgesehen haben. Wir müssen auch Fotos von Oberflächentexturen einreichen.“

Ähnlich wie bei einem sehr schwierigen Puzzle wird so aus kleinen, digitalen Puzzlestückchen die virtuelle Realität zusammengebaut. Ob sich eine Idee in dieser Detailgenauigkeit realisieren lassen wird, hängt stark von der Datenlage und dem Budget ab.

Gut verständlich, dass das umfangreiche Großprojekt nicht innerhalb eines Jahres fertiggestellt werden kann. Im Moment befindet sich das Gremium noch in der Planungsphase, die Ausschreibung für die Programmierung läuft gerade an. Komplett fertig soll „Die Zeitmaschine“ 2025 sein. Möglicherweise werden vorab einzelne Komponenten in einer Testversion vorgestellt, die nur einem bestimmten Nutzerkreis freigegeben wird. Gesamtziel des vom Heimatministerium geförderten Projektes ist, Einheimischen, Tagesbesuchern oder Urlaubern ein spannendes Produkt in Stadt und Landkreis Landshut anbieten zu können, das Geschichte und Informationen in moderner und kreativer Form präsentiert. „Die ganze Geschichte von der Steinzeit bis heute ist eine Geschichte der Kreativität“, ist sich Maier sicher. „Schon früh haben Menschen Geschichten, Träume oder Erinnerungen in Höhlenmalereien festgehalten und sichtbar gemacht.“ Jetzt, in der Gegenwart, geschieht das wohl über eine digitale Zeitreise per App.

So könnte Broglio ausgesehen haben. Foto: Helga Baier
Eine Rekonstruktionszeichnung des keltischen Herrenhofes bei Bruckberg. Foto: Andreas Valenta
Landrat Peter Dreier (re.), Landshuts Oberbürgermeister Alexander Putz (li.) undProjektleiterin Julia Maier freuen sich über den Förderbescheid im Rahmen des Programms „Heimat Digital“. Foto: Landratsamt Landshut

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