Aus dem Landkreis ins House of Lords

Baroness Stuart of Edgbaston – diesen edlen britischen Adels-Titel trägt tatsächlich eine gebürtige Landkreisbürgerin. In jungen Jahren zog Gisela Gschaider von Velden nach England, machte politische Karriere – und wurde zur Baroness. Ihre Heimat, den Landkreis Landshut, hat sie dabei nie vergessen. Sie kommt immer wieder gerne hierher zurück. Besonders zu ihrem Lieblingsort in Vilsbiburg.

Baroness Stuart of Edgbaston und ihre Wurzeln im Landkreis Landshut

Das ist einmalig im britischen Parlament: eine Abgeordnete, die nicht nur perfekt Deutsch, sondern auch noch ein astreines Niederbayerisch spricht. Wer die Geschichte von Baroness Gisela Stuart of Edgbaston kennt, wundert das allerdings nicht. Schließlich lebt die britische Adelige erst seit ihrem 18. Lebensjahr in Großbritannien. Aufgewachsen ist sie in Stockham, einer kleinen Ortschaft bei Velden. Damals war sie auch noch keine Baroness, sondern trug noch ihren Mädchennamen: Gisela Gschaider. Mit 18 Jahren brach sie in die große weite Welt auf. Genauer: nach Großbritannien. Aus einem Aufenthalt, der eigentlich nur drei Monate dauern sollte, wurde ein halbes Jahrhundert. Die enge Verbindung zu ihrer alten Heimat hat sie trotzdem nie verloren.

Zuhause – das ist Stockham bei Velden

„Ich besuche Deutschland immer wieder“, sagt die mittlerweile 67-Jährige. Als ihre Kinder noch klein waren, kam sie gleich mehrmals im Jahr zu Besuch in den Landkreis. Mittlerweile sind die Besuche weniger geworden – nicht zuletzt wegen der Corona-Pandemie. „Zum 90. Geburtstag meiner Mutter im Dezember bin ich aber auf jeden Fall wieder da“, erzählt sie. Ihre Mutter lebt noch immer in Stockham, ihrem Heimatort. Und auch ihre Geschwister sind im Landkreis Landshut zuhause.

Gisela Stuart im House of Lords. Foto: ©Stuart

Zuhause, das ist Stockham beim Velden. „Das ist so klein, dass es damals nicht mal eine Kirche oder ein Wirtshaus gab“, erinnert sich Stuart an ihre Jugendzeit. Nach dem Realschul-Abschluss ging sie deshalb für eine Buchhändlerlehre nach Mühldorf am Inn und nach München. Stuart wollte die Welt sehen, brach von dort nach Großbritannien auf, um ihr Englisch zu verbessern – und blieb für immer. Sie begann eine Studium, heiratete und begann sich politisch zu engagieren. Eine außergewöhnliche Karriere nahm ihren Lauf, die sie für die Labour Party bis ins Parlament führen sollte. Im Jahr 2020 wurde sie als Baroness Stuart of Edgbaston zur Adligen auf Lebenszeit ernannt und ist seither Mitglied im House of Lords, dem britischen Oberhaus.

Fest verwurzelt in der bayerischen Heimat

Obwohl sie den größten Teil ihres Lebens auf der britischen Insel verbracht hat, ist sie mit ihrer bayerischen Heimat tief verwurzelt. „Es ist unglaublich, wie sehr die Kindheit einen Menschen prägt“, sagt Stuart. So hält sie auch nach Jahrzehnten noch an liebgewonnenen Traditionen fest. Die Weihnachtsgeschenke für ihre Kinder gibt es schon am Heiligen Abend, nicht wie bei den Briten üblich am 25. Dezember. „Und ich bin sehr stolz darauf, dass ich in meinem Leben noch keinen englischen Truthahn als Festessen in den Ofen geschoben habe“, sagt die Wahlbritin mit einem Augenzwinkern. Stattdessen gebe es ein bayerisches Weihnachtsessen und dazu – ganz wichtig – Nürnberger Lebkuchen. Diese Bestellung müsse jedes Jahr einfach sein. „Was ich in England außerdem vermisse, ist Griesnockerlgries“, meint sie und lacht. „Meine Kinder lieben Griesnockerl.“ So bewahrt sie sich ihre niederbayerische Heimat auch in London, wo sie jetzt lebt.

Ratsch mit dem Papst auf Niederbayerisch in London

Und auch bei ihrer politischen Arbeit wird sie immer wieder an ihre alte Heimat erinnert. Etwa, als sie einmal mit einer Delegation des britischen Parlaments Papst Benedikt besuchte. Der habe jedem einzeln die Hand geschüttelt und ein paar Worte gewechselt. Als er bei ihr ankam, habe sie ihn auf Niederbayerisch begrüßt. „Er hat überrascht geschaut und gesagt: ‚Ja, gibt’s denn so was‘! Und ich hab’ geantwortet: ‚So was gibt’s!‘“ Von diesem Moment gebe es ein Foto, auf dem beide herzhaft lachen. Es sei ein Höhepunkt in ihrer politischen Karriere gewesen. Mittlerweile ist ihr Englisch so perfekt, dass sie nur noch selten auf ihre Herkunft angesprochen wird. Zumindest nicht auf ihre deutsche, sagt sie mit einem Grinsen. „Wenn ich Englisch spreche, denken viele, sogar die Südafrikaner, dass ich aus Südafrika komme“, erzählt Stuart. „Nur noch mein Vorname Gisela enttarnt mich heute noch als Deutsche.“

„Dort, wo die Römer waren“

Als sie in den 70-er Jahren nach England kam, war es für eine Deutsche in England nicht einfach. Die Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg war noch zu frisch. Heutzutage sei das anders. Jetzt werde sie nach Urlaubstipps in Deutschland gefragt – und sie gibt dann immer eine Antwort. „Ich sage dann immer: Dort wo die Römer waren, aber die Schweden nicht“, erklärt sie augenzwinkernd. Also im Süden Bayerns. Dort, wo ihre alte Heimat und auch ihr Lieblingsort im Landkreis Landshut liegt: Das Stadttor mit benachbartem Turm in Vilsbiburg. „Das erinnert mich immer an die Karikaturen der ‚Turmgespräche‘ in der Vilsbiburger Zeitung“, erzählt die 67-Jährige. „Die habe ich als Kind immer gerne gelesen. Das bedeutet für mich einfach Heimat.“

Gisela Stuart lebt seit Ihrem 18. Lebensjahr in Großbritannien. Eigentlich hatte die 67-Jährige aus Stockham bei Velden nur ihre Sprachkenntnisse verbessern wollen. Foto: © Stuart
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