Unabhängig von Öl und Gas

Furth. Schon vor Jahren hat eine Gemeinde im Landkreis die Energiewende erfolgreich angepackt. Das Ziel, zu 100 Prozent energieautark sein, hat Furth bei Landshut längst erreicht. Wie sie das geschafft hat, das interessiert gerade in diesen Zeiten, in denen die Preise für fossile Energie explodieren, ganz Deutschland.

100 Prozent energieautark – eine Landkreisgemeinde macht vor, wie’s geht

Erster Bürgermeister Andreas Horsche ist zurzeit ein vielgefragter Mann. Der Bayerische Rundfunk hat ihn interviewt. Vor Kurzem war das Nachrichtenmagazin Focus zu Gast im Further Rathaus. Der Grund: Die 3.600-Einwohner-Gemeinde ist bilanziell komplett unabhängig von fossilen Energieträgern. Furth ist in Bezug auf die Energiewende da, wo viele Kommune jetzt gerne wären. „Wir erzeugen übers Jahr gesehen aus nachwachsenden Rohstoffen genauso viel Energie, wie wir verbrauchen. Das haut hin“, sagt Horsche stolz. Amtskollegen aus ganz Deutschland rufen deshalb bei ihm an –alle wollen eines wissen: Wie hat Furth das geschafft?

In der Landshuter Landkreis-Kommune sieht das so aus: Die Wärmeenergie kommt von einer großen Hackschnitzelheizanlage, die mittlerweile die gemeindlichen Einrichtungen, eine Brauerei, eine Destillerie, ein Tagungszentrum, ein Gymnasium und über 90 Privat-Haushalte mit Wärme versorgt. „Auch neue Baugebiete schließen wir an diese Wärmeversorgung an“, so der Rathauschef.

Die zweite große Säule ist die elektrische Energie: Der Strom kommt in Furth von PV-Anlagen auf den Hausdächern – und von dem riesigen Parkplatz neben Brauerei und Tagungszentrum. „Die Fläche ist viel zu schade, als sie nur dafür zu nutzen, um Autos darauf abzustellen“, sagt Horsche. Deshalb wurde das Areal mit einer gigantischen PV-Anlage überdacht, die eine Leistung von 260 Kilowatt-Peak hat. „Davon profitieren jetzt sogar die Autofahrer“, freut sich der Bürgermeister. Im Sommer spendet die Anlage Schatten und sorgt dafür, dass sich die Autos nicht zu sehr aufheizen. Bei schlechtem Wetter sind die Autos vor Hagel, Schnee und Eis geschützt. „Und wir produzieren laufend Strom.“

Furth bekommt deutschen Nachhaltigkeitspreis

Wärme aus Hackschnitzel, die von Waldbauern der Umgebung stammen, Strom von der Sonne – das funktioniert so gut, dass die Gemeinde Furth im Sommer dreimal so viel Energie erzeugt, als sie verbraucht. „Außer einer Biogasanlage auf dem Gemeindegebiet haben wir keine weiteren Energiequellen. Windkraft kommt wegen unserer Lage für uns nicht in Frage, Wasserkraft und Geothermie auch nicht“, betont Horsche. Mittlerweile sind allerdings so viele PV-Anlagen in Betrieb und diese produzieren so effektiv, dass die Kommune auch an nebligen Tagen genug Strom produziert.

„Jetzt geht es bei uns um die Frage: Wie können wir die Menge an Strom, die wir produzieren, im Netz physikalisch so speichern, dass es auch wirtschaftlich ist? Da gibt es aktuell noch einige Hürden. Aber je weiter der Strompreis steigt, um so rentabler wird es“, sagt der Gemeindevorsteher und hat schon konkrete Zukunftspläne, was das betrifft. Im alten Klostergebäude, das Furth im Jahr 2015 vom Maristen-Orden gekauft hat, stehen im Keller schon die passenden Räumlichkeiten für große Batteriespeicher bereit. 

Dass Furth in Sachen Energieautarkie jetzt schon da ist, wo alle anderen Kommunen Deutschlands gerne sein würden, das hat die Gemeinde vor allem einem Mann zu verdanken: „Das ist der Verdienst meines Amtsvorgängers, Dieter Gewies“, erzählt Horsche. Als andere Photovoltaik noch für eine Spinnerei hielten und fossile Brennstoffe noch günstig waren, beschäftigte sich Gewies damit, den ökologischen Fußabdruck seiner Gemeinde so gering wie möglich zu halten.

Gewies hat das Hackschnitzelheizkraftwerk mit angeschoben, das 1996 in Betrieb ging – und vor allem den massiven Ausbau der Solarenergie in der Gemeinde vorangetrieben.Seine größte Leistung ist aber wohl: Er hat die Further Bürger in einer Zeit von der Wichtigkeit einer nachhaltigen Energieproduktion überzeugt, in der das Thema noch eher eine unwichtige Rolle gespielt hatte. „Mittlerweile ist das jedem Further in Fleisch und Blut übergegangen. Unsere Bürger kommen mittlerweile mit Ideen auf uns zu. Die Energiewende in Furth ist damit ein richtiges Gemeinschaftsprojekt geworden“, sagt Horsche.

Dafür hat die Gemeinde zahlreiche nationale und internationale Preise gewonnen. Ein Foto von der wichtigsten Preisverleihung von allen hängt in Horsches Büro an prominenter Stelle direkt gegenüber von seinem Schreibtisch im Rathaus: Darauf zu sehen sind Horsche selbst im Kreis von Prominenten wie Astronaut Alexander Gerst und Schauspieler Colin Firth (Bridget Jones). „Das war 2014, im Jahr meines Amtsantritts. Da hat Furth den Deutschen Nachhaltigkeitspreis verliehen bekommen. Ich war furchtbar stolz – und es war mit fast ein bisschen peinlich, weil ja eigentlich Dieter Gewies den Preis in Empfang hätte nehmen müssen“, erzählt Horsche. Der blieb aber lieber im Publikum sitzen und ließ seinen Nachfolger den Vortritt.

Der amtierende Bürgermeister sieht sich jetzt in der Verantwortung, das Werk seines Vorgängers fortzusetzen – und will anderen Gemeinden dabei helfen, energieautark zu werden. Klar ist aber auch: „Jede Kommune muss ihren eigenen Weg finden. Es gibt keine Patentlösung. Was bei uns klappt, funktioniert woanders vielleicht nicht so gut.“

Und so lässt sich das Further Erfolgsmodell vielleicht am besten beschreiben: Das nutzen, was verfügbar ist – und einfach loslegen. Dass es zu schaffen ist, hat Furth bewiesen. Den kommenden Winter fürchtet Horsche für „seine“ Gemeinde jedenfalls nicht. „Eine Gasversorgung haben wir hier sowieso nicht – und unsere Brauerei nutzt Strom.“ Bier gibt es also auch weiterhin in Furth. Egal, ob Öl und Gas fließen.

Bürgermeister Andreas Porsche in seinem Arbeitszimmer vor dem Schrank mit den Preisen, die die Gemeinde für ihre nachhaltige Energieversorgung schon bekommen hat. Fotos: Landkreis Landshut
Nur um Autos abzustellen, dafür ist ein Parkplatz eigentlich viel zu schade. Furth nutzt die Fläche auch für die Energieerzeugung und hat die Stellplätze mit einer PV-Anlage überdacht.
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